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Besuch im Sozialzentrum Costesti

Jeder unserer Besuche in Moldau hat „feste Adressen“: seien es die Verbrennungsklinik, in Not geratene Familien, Behörden, und nicht zuletzt auch die Sozialzentren in Costesti und Leova. So freue ich mich, den alten zahnlosen Mann wieder zu treffen, der an einem Tisch sitzt und Volkslieder singt, Lieder seiner Jugend. Er hat ein schweres Leben und keine Angehörigen. Seine Frau ist vor zwei Jahren an Krebs gestorben. Sein einziger Sohn ist vor vier Jahren nach Russland gegangen, um Arbeit zu finden. Seit dieser Zeit hat er kein Lebenszeichen mehr von ihm und fragt sich oft, ob er wohl noch am Leben ist. Zumindest für ein paar Stunden kann er seine Sorgen vergessen.

Nach Deutschland zurückgekehrt, erhalte ich am 24. Januar einen Antwortbrief auf eines meiner Schreiben an Frau Mereacre. Unter anderem schreibt sie:

Liebe Marina,

als ich ihre Nachricht erhalten habe, arbeitete ich an einem Bericht, den ich bei der nächsten Sitzung des Gemeinderates vorlegen muss. Dieser Bericht enthält Informationen über die Situation von kranken Menschen, die allein in katastrophalen Verhältnissen leben. So gewährt diesen der Stadtrat, wie in vorangegangenen Jahren, keine Wärmehilfe mit Brennholz mehr, da es hierfür
kein Geld mehr gäbe. Alle Sozialleistungen, die bislang an schutzbedürftige Menschen in der kalten Jahreszeit gezahlt wurden, sind gekürzt.

In diesem Jahr starben drei Menschen an der Kälte. Vor vier Tagen habe ich eine Person aufgefunden, die in einer fenster-, und türlosen Bude völlig unterkühlt vegetierte.

Am Samstag wurde ein alter Mann in unserer Gemeinde halb erfroren aufgefunden. Es gelang uns ihn noch rechtzeitig in unser Zentrum zu bringen und die nötige Hilfe zu leisten. Jetzt haben wir drei weitere Personen in frostgefährdeten Situationen. Es hat stark geschneit und ist sehr kalt geworden. Hoffentlich kommen keine neuen schrecklichen Überraschungen zustande. Ich bin eurem Verband so dankbar für die großartige Unterstützung!

Mir wird bewusst, dass die Verantwortung für diese Menschen nicht bei der Leiterin eines örtlichen Sozialzentrums, sondern beim Staat selbst liegen muss und bin wütend über dessen Gleichgültigkeit seinen Einwohnern gegenüber. Sozialeinrichtungen dieser Art sind im ärmsten Land Europas von elementarer Bedeutung. Ich bin sehr froh, dass wir dabei sind ein weiteres Sozialzentrum in Calarasi auf den Weg zu bringen.

Ihre
Marina Luchian

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